
Jill Zimmermann – Musiksoftware/ DAW
Ich hatte die große Freude mit Jill Zimmermann zu sprechen.
Sie arbeitet als Musikproduzentin und Tontechnikerin in einem Tonstudio in Kanada und hat schon mehrere Auszeichnungen für ihre Arbeit bekommen. Sie hat sich eine Stunde Zeit für mich genommen, trotz Zeitverschiebung, und mit mir über ihren Weg von Köln nach Kanada und Musiksoftware gesprochen.
Liebe Jill, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst.
Als erstes würde ich gerne wissen, wie du da hingekommen bist, wo du heute bist. Wie war dein Werdegang in der Musikproduktion?
Nachdem ich wusste, dass ich auf die technische Seite der Musik will, habe ich mir erstmal ein paar Schulen angeschaut. Ich bin zuerst an die SAE nach Köln gegangen und habe dort mein Diplom gemacht und danach meinen Bachelor. Während ich dort studiert habe, hab ich sehr viel Studiozeit für mich in Anspruch genommen. Nebenbei durfte ich schon im audiotechnischen Bereich arbeiten. Also zum Beispiel hab ich für Leute editiert und beim ZDF erst als Kabelträger und dann relativ schnell auch im Tonbereich gearbeitet, nachdem sie festgestellt hatten, dass ich auch Ton studiere. Wobei auch die Arbeit als Kabelträger sehr gut war, weil ich jetzt weiß, wie man Kabel wirklich gut aufrollt (lacht). Ich habe bei Studienfilmen mitgearbeitet, einmal als Mischer aber auch am Set und beim Giesing-Team, als Tontechniker für Werbetechnik. Ich habe Bands aufgenommen und live in zwei Bars in Köln gearbeitet.
In meinem letzten Jahr an der SAE hatte ich dann Blockunterricht, also eine Woche im Monat. Ich habe mich aber noch nicht so gefühlt, als hätte ich schon Fuß gefasst. Also habe ich beschlossen bei der FH Düsseldorf, Medientechnik zu studieren und habe mich dort auf Ton spezialisiert. Das wäre eigentlich dreieinhalb Jahre gewesen, aber nach zwei Jahren mussten wir schon überlegen, was wir als Praxissemester machen. Das Praxissemester ist sehr gut, um einen Einstieg zu bekommen.
Ich habe mich in den USA beworben und hatte dann auch ein paar Stellen, die mich als Praktikantin angenommen hätten, die wären allerdings zeitlich begrenzt gewesen. Irgendwie bin ich über Google dann bei diesem Studio, wo ich jetzt arbeite, gelandet. Es war auch das erste kanadische Studio, bei dem ich mich beworben hab. Die brauchten zu der Zeit aber keine Praktikantin, sondern eine Assistenz in Vollzeit.
Ich wollte mein Studium daraufhin eigentlich abbrechen, dass fanden meine Eltern aber nicht so toll. (lacht) Also habe ich dann mein Studium statt in dreieinhalb Jahren, in zweieinhalb Jahren absolviert. Ich hatte zum Glück die Unterstützung von meinem Akustik Professor, der mir bei den bürokratischen Sachen geholfen hat. Die letzte Woche in Deutschland war aber wirklich chaotisch. Ich musste umziehen, meine Arbeit einreichen, die mündliche Prüfung machen und meine Koffer packen. Das es funktioniert hat, habe ich aber auch den Leuten zu verdanken, die mich unterstützt haben. Ein anderer Professor hat einfach gesagt, dass ich das nicht schaffen würde. Zum Glück habe ich das ´nein´ nicht akzeptiert, sondern weitergefragt.
Arbeitest du denn mehr als Tontechnikerin oder als Produzentin?
Beides. Viele Bands haben auch keine Produzenten, wenn sie zu uns kommen und dann springt man automatisch in diese Rolle. Man versucht ihnen dann Halt zu geben, eine Art Leitfaden und betreut sie ein bisschen psychologisch. Auch bei Gesangsproduktionen nehm ich öfter die Produzentenrolle ein, weil ich lange im Chor war und Harmonien gut hören und vorsingen kann.
Ich hab gesehen, dass du schon ein paar Preise gewonnen hast für deine Arbeit…
Ich hab zwei Juno Awards gewonnen und wurde für insgesamt zehn nominiert. Das ist vergleichbar mit dem deutschen Echo. Das war schon besonders, es hat mir auch einen Schubs gegeben, weiterzumachen und nicht die Motivation zu verlieren. Insgesamt hab ich auch drei goldene Schallplatten, was auch schön ist, weil man dann merkt, dass sich Menschen die Musik auch wirklich anhören.
Du hast ja vermutlich einen ziemlich vollgepackten Terminkalender. Gibt es etwas, was du zum Ausgleich machst?
Meistens bin ich sehr gern draußen. Ich golfe gerne und geh wandern. Ich reise auch gerne.
Also das Gegenteil vom Studio: frische Luft, Sonnenschein und keine Lampen.
Kommen wir mal zu den technischen Fragen…Was ist eine DAW und wofür steht es?
DAW steht für Digital Audio Workstation und es ist das Programm, was man am Computer benutzt. Es gibt verschiedenen DAW´s, die unterschiedliche Stärken haben.
Welche gibt es und was sind die populärsten? Welche nutzt du?
Also es gibt mehr als ich eigentlich kenne. Die populärste in Studios, ist „Pro Tools“. „Logic“, „Cubase“ und „Nuendo“ sind auch sehr beliebt. Leute die hauptsächlich produzieren, Beats machen oder als DJ arbeiten, nutzen oft „Ableton“ oder „FL Studio“. Bei uns im Studio arbeiten wir aber meistens mit „Pro Tools“.
Welche Kosten müssen für eine Musiksoftware eingeplant werden?
Das ist unterschiedlich. Es gibt welche für Einsteiger, die nichts kosten, die haben dann aber auch weniger Funktionen, aber man kann damit schon mal gut anfangen, wenn man sich noch nicht sicher ist, ob man das machen will. Ich hab zum Beispiel mit „Audacity“ angefangen. Für „Pro Tools“ muss man mittlerweile eine Monatsgebühr zahlen. Da viele Studios aber mit „Pro Tools“ laufen, wäre es aber vielleicht gut, sich das mal für ein paar Monate zu holen, um zu sehen, wie es funktioniert.
Ich würde Leuten raten, mit „Logic“ oder „Cubase“ anzufangen. „Logic“ kostet glaub ich 200€. Bei jeder DAW die man sich holt, sind auch einige Plug-Ins schon vorhanden. Man hat dann schon mal einen Kompressor, ein Gate und einen Equalizer, womit man auch viel ausprobieren kann.
Kompressor: Mit einem Kompressor lässt sich die Lautstärke (Pegel) der Musik ändern.
Gate (dt.: „Tor“): Auch das Gate nimmt Einfluss auf die Lautstärke.
Es „öffnet“ und „schließt“ sich und lässt Signale zum Beispiel erst ab einem bestimmten Schwellwert durch.
Equalizer (EQ):Mit einem Equalizer können die einzelnen Frequenzspektren eines Audiosignals, chirurgisch genau verändert werden.
Was kann man mit einer Musiksoftware machen? Und was ist der Unterschied zwischen Audio und MIDI-Tracks?
Mit einer DAW kann man seine Session organisieren. Früher mit Tape-Aufnahmen hatte man ja nur die Spuren. Heute kann man sich mit MIDI-Spuren digitale Informationen speichern, die man hinterher nach Belieben noch ändern kann. Audio-Tracks kann man sich vorstellen, wie ein Video, das man gefilmt hat, man kann Filter setzen und es schneiden, man ist aber begrenzt mit dem, was man aufgenommen hat. MIDI-Tracks kann man sich eher vorstellen wie einen Animationsfilm, man kann alles ändern. Man kann das Instrument ändern, die Zeit, man kann die Töne ändern, wenn man sich zum Beispiel verspielt hat. Es ist einfach damit zu arbeiten, es gibt aber auch viel mehr, was man beachten muss damit es normal klingt.
„Audio-Tracks kann man sich vorstellen wie ein Video, das man gefilmt hat (…). MIDI-Tracks eher wie einen Animationsfilm, man kann alles ändern.“
Bei der großen Auswahl an DAW´s, wie würdest du dich für eine entscheiden? Also wann würdest du welche wählen?
Wenn man in Studios arbeiten möchte, muss man mit „Pro Tools“ rechnen. Wenn man viel Preproduction macht und in einem Genre ist, wo man nicht viele Instrumente aufnimmt oder ein Home Studio hat, braucht man aber nicht unbedingt „Pro Tools“.
Die professionellen DAW´s haben eigentlich alle Funktionen, die man braucht, in einigen ist die Umsetzung allerdings einfacher. Zum Beispiel ist MIDI in „Logic“ einfacher, als in „Pro Tools“. Man kann es in „Pro Tools“ auch machen, es ist nur etwas umständlicher.
Ich glaube in „Ableton“ und „FL Studio“ lässt sich schneller etwas kreieren, aber in den anderen DAW´s ist es einfacher sehr genau zu arbeiten.
Bei „Cubase“ und „Nuendo“ ist schon ein Vocal-Tuning Programm drin, was sehr schön ist.
Was durch die unterschiedlichen DAW´s wirklich wichtig ist, man muss wissen, wie man richtig Audio und MIDI exportiert. Denn wenn jemand anderes, mit dem man arbeitet, nicht in der gleichen DAW arbeitet, oder man seinen Song zum Mischen wegschickt, muss man richtig exportieren können.
Jemand hat sich jetzt eine Musiksoftware gekauft, womit würdest du sagen, soll sie anfangen?
Wir hatten in der SAE Zusatzaufgaben, die haben mir sehr geholfen. Man nimmt sich zum Beispiel einen Song und versucht ihn auf zwei Minuten zu kürzen. Dann schaut man wie man einen Marker setzt, das Tempo herausfindet und wie man Fades richtig setzt und editiert. Man kann auch üben, sich selber aufzunehmen und eine Seite aus einem Buch vorlesen. Da muss man dann eventuelle Versprecher rausnehmen und man kann mit Equalizern und Gates ein bisschen rumspielen. Das kann man alles üben, bevor man Kunden hat.
Liebe Jill, wir kommen schon zur letzten Frage. Was magst du am liebsten an deinem Job?
Die Abwechslung. Ich mag, dass jeder Tag anders ist, auch wenn es stressig sein kann. Selbst wenn ich mit einer Band für sechs Wochen arbeite, ist jeder Tag anders. Man arbeitet vielleicht an unterschiedlichen Songs, man nimmt unterschiedliche Instrumente auf und man darf schnelle Lösungen für Probleme finden, die plötzlich auftauchen.
Es ist ein sehr menschlicher Beruf, man arbeitet sehr nah, auch psychologisch. Man lernt die Menschen auf einer anderen Ebene kennen. Musik ist sehr emotional und es kam auch schon vor, dass Leute nach einem Take angefangen haben zu weinen, das versuch ich dann aufzufangen.
Es bleibt immer spannend und man hat keinen Alltagstrott. Ich lerne immer dazu.
Mehr über Jill könnt ihr auf ihrer Homepage erfahren oder folgt ihr auf Instagram.


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