
Jenny Gerdts – Mikrofone
Jenny ist Musikproduzentin, arbeitet als Dozentin für Musikproduktion, ist Songwriterin und hat eigene musikalische Projekte. Ich freu mich sehr, dass sie sich für dieses Thema begeistern konnte, mir meine ganzen Fragen zu Mikrofonen beantwortet hat und das ich ihr Wissen jetzt mit euch teilen kann!
Liebe Jenny, danke, dass du dir die Zeit nimmst!
Magst du zu Anfang mal erzählen, wie du zur Musikproduktion gekommen bist?
(lacht) Das war ein interessanter Weg. Ich hab´ mit sechs angefangen Schlagzeug zu spielen und hatte dann mit elf meine ersten Bands. Ich wollte dann aber selber die Songs schreiben, was am Schlagzeug natürlich schwierig ist und dann hab´ ich mit (E-)Gitarre angefangen. Mein Gitarrenlehrer hat mir damals meine erste DAW geschenkt und damit hab´ ich meinen stuff recordet… Er hatte einen Kumpel, der in Enschede studiert und sein eigenes kleines Tonstudio hatte. Ich hab´ ihn dann mal besucht und er hat mich ein bisschen in das Berufsfeld eingeführt und mir gezeigt, was und wie er so arbeitet. Er hat mir auch die ArtEZ vorgestellt und mir ist relativ schnell klar geworden, dass ich das ganze Produktionsfeld sehr spannend finde. Auch nicht nur das Songwriting an sich, sondern auch die Sound-findung.
Ist die Uni in Enschede denn eine staatliche Uni?
Genau das ist eine staatliche Hochschule. Ich hatte mich auch in Deutschland umgesehen und es gibt zum Beispiel in Mannheim die Popakademie und in Münster ebenfalls einen Standort, wo man Musikproduktion studieren kann. Damals war es halt so (das hat sich mittlerweile zum Glück ein bisschen geändert) du konntest entweder so eine Art Toningenieur Studium machen, hast nichts mit Songwriting zu tun gehabt, oder du hast halt Singer- Songwriter studiert und musstest singen. Und da ich keine Leadsängerin bin, war das für mich halt keine Option. In Münster hätte ich zudem Klavier als Hauptfach nehmen müssen und ich hab´ halt Gitarre gespielt. Ich hatte auch mit Filmmusik geliebäugelt, da brauchte man aber schon einen Bachelor of Music. Die ArtEZ hatte das „Rundum-Paket“.
Wo arbeitest du aktuell? In einem Studio?
Jaein. Also ich bin Songwriterin bei Tinseltown Music und Sony und habe 2014/15 ein Jahr lang im Maarwegstudio2 gearbeitet. Wenn ich größere Produktionen mache (mit Bands zum Beispiel), oder vor ein paar Wochen hatte ich ein Vocal Quintett, wo ich Boothes brauchte, miete ich mich in das Studio ein. Aber eigentlich kann ich alles, bis auf Chor und Schlagzeug, bei mir in bester Qualität aufnehmen. Ich bin jetzt ebenfalls Dozentin an der Hochschule für Musik und Tanz und unterrichte Musikproduktion. Ich arbeite auch als Engineer und übernehme ab und an außerdem das Mixing.
Macht dir das Unterrichten Spaß?
Ja voll. Die Studenten sind total engagiert. Ich gestalte meinen Unterricht sehr praktisch. Ich schicke ihnen zum Beispiel Samples von mir, mit denen wir dann Beats bauen. Sie bekommen auch Einblicke in Sessions und auch mal Spuren, mit denen sie eine halbe Stunde arbeiten und daraufhin trifft man sich eine halbe Stunde wieder in der Gruppe zum Listening und feedbackt.
Kommen wir mal zur Technik…
Es gibt ja unterschiedliche Arten von Mikrofonen. Sie unterscheiden sich zum Beispiel in der Bauweise. Könntest du die häufigsten Arten mal kurz nennen und erklären?
Na klar. Mit einem Mikrofon setzt man ja immer ein akustisches Signal in ein elektronisches um und dann wird es vom Interface umgewandelt in Daten, also Nullen und Einsen.
Also das live gebräuchlichste Mikrofon sind dynamische Mikrofone. Diese sind sehr robust.
Die häufigsten Richtcharakteristiken sind: „Niere“, „acht“ und „rundum“.
Dynamische Mikrofone haben eine „Nieren“- oder „Supernieren“-Charakteristik. Dynamische Mikrofone funktionieren mit zwei Magneten und dann hat man innen eine Spule, die sich bewegt und dadurch Spannung erzeugt. Das heißt die Mikrofone nehmen nur vorne vor der Kapsel das Signal auf und für Live Auftritte ist das sehr praktisch. Man will ja nicht unbedingt das Publikum mit aufnehmen und man hätte sonst ebenfalls eine Rückkopplungsgefahren. Deswegen nutzt man dynamische Mikrofone für viel Schalldruck und Die sind robust und man kann sie auch mal fallenlassen und es passiert nichts. Ein häufiges dynamisches Mikrofon für Live Auftritte (Snare, Gitarrenamps) ist beispielsweise das SM-57.
Dann gibt es vor allem für die Nutzung in Studios, Kleinmembranmikrofone und Großmembranmikrofone, das sind Kondensatormikrofone. Die haben oft auch einen Schalter, an welchem man die Richtcharakteristik umstellen kann. Daher sind sie sehr vielseitig.
Beim Kondensatormikrofon hat man eine Metallplatte (Gegenelektrode) und eine Membran, die leiten können muss. Durch den Schall schwingt die Membran, wodurch sich der Abstand zur Metallplatte und das akustische Signal wird zu einem elektronischen umgesetzt. Die Membran ist viel „leichter“ zu bewegen, als die Spule beim dynamischen Mikrofon. Daher haben Kondenatormikrofone weniger Rauschen und eine präzise und weitere Frequenzwiedergabe. Bei dieser Art Mikrofone braucht man auch Phantomspannung.
Was hat es denn mit der Phantomspannung oder auch Phantomspeisung auf sich?
Das ist zugeführte Energie von extern. Ich meine das war Neumann, die das Prinzip „erfunden“ haben. Das Kapselsignal ohne Phantomspannung ist zu fragil, da der kleine Kondensator nur sehr wenig Energie speichern kann. Daher braucht man zur Stabilisation des Signals einen „Impedanzwandler“, der extra Signalstrom zuführt.
An jedem Mischpult gibt es zum Beispiel auch den 48 Volt-Phantomspeisung Knopf. Und das ist der extra Strom, welcher dann zum Mikrofon geschickt wird.
Eine Art der Mikrofone haben wir noch nicht genannt. Die Bändchenmikrofone. Die sind etwas wärmer und brillanter als dynamische Mikrofone. Die Bauweise ähnelt der der dynamischen Mikrofone. Man hat auch wieder diese zwei Magnete und dann aber einen Alu-Streifen, der vibriert, das ist das Bändchen. Dieser Streifen ist hauchdünn, deshalb sind die Mikros mega empfindlich: Besser nicht live benutzen! (lacht) Und mit Phantomspannung kommen die meisten gar nicht klar. Es gibt Ausnahmen, aber eigentlich heißt es immer, zwei Minuten vorher Phantomspeisung ausmachen, weil das Bändchen sonst reißen kann. Die meisten Bändchenmikrofone haben eine „acht“-Charakteristik.
Kann man sagen, dass man die unterschiedlichen Arten auch für unterschiedliche Zwecke verwendet? Wenn ja, für welche?
Also dynamisches wie gesagt für Live Auftritte, außer z.B. bei Drum-Overheads da nimmt man oft auch Kleinmembranmikofone, also Kondensatormikrofone. Man möchte ja die Becken einfangen und die passieren vor allem in den höheren Frequenzen. Deshalb nutzt man ab und an live auch mal Kleinmembranmikrofone. Im Studio mehr Klein- und Großmembraner (kommt aber auf das Instrument an). Kondensatormikrofone haben einfach ein viel weiteres Frequenzspektrum, was sie abbilden und sind meist linearer.
Bändchenmikrofone kann man sehr gut für tiefere Signaquellen nutzen, also zum Beispiel eine Kick oder für… das ist jetzt ein bisschen nerdig (lacht)… für cleane Gitarren mit einem schönen Fender Twin (E-Gitarrenverstärker) und dann ein Bändchenmikrofon davor, das klingt einfach immer mega gut! Weil es entspannte, brillante Höhen hat. Es klingt ein bisschen so, als hätte man es schon mal über eine Bandmaschine geschickt…wie ein natürlicher De-esser.
Wenn sich jemand ein Mikrophon kaufen möchte, worauf sollte sie oder er achten?
Ich würde vor allem drauf acht, wofür es genutzt werden soll. Also welches Instrument möchte ich aufnehmen?
Wenn ich jetzt ein vielseitiges Mikrofon haben möchte, für ein Home-Studio, würde ich wahrscheinlich ein Großmembran Mikrofon empfehlen, weil sich damit auf jeden Fall gute Vocals aufnehmen lassen. Was für die Produktion natürlich wichtig ist, weil dieser vor allem durch die Schlagzeug-sounds und dann die Vocals getragen wird. Man kann Großmembraner auch sehr gut vor das Schallloch einer (A-)Gitarre setzen und ebenfalls vor ein (Bass-)Amp stellen. Auf jeden Fall nicht das allerbilligste kaufen. Es muss auch nicht immer ein Kondensatormikrofon sein. Ein highclass dynamisches Mikrofon, wie zum Beispiel das Sennheiser MD441, das klingt auch fantastisch für Vocals.
Würdest du dich auf ein Preis festlegen, den man investieren sollte? Ab wann es „gut“ wird?
Mh…mein erstes „Studio“- Mikrofon war ein Rode NT2-A, das war glaub ich ein Standard Anfänger-Mikrofon. Damit kam ich die ersten zwei, drei Jahre ganz gut klar. Das liegt preislich so bei 200€ und ist okay. Man merkt dann in der Weiterbearbeitung oder im Vergleich mit teureren Mikrofonen, dass die Abbildung schon Einbußen hat und das die Höhen nicht so schön sind, wie bei einem 3000€ Mikrofon.
Ich würde aber immer empfehlen, wenn man Vocals aufnehmen möchte, in ein Geschäft zu gehen und mehrere testen oder bestellen. Von Stimme zu Stimme ist die Wiedergabe einfach unterschiedlich.
Also welche Farbe hat deine Stimme? In welcher Lage singst du? Wie singst du? Verschiedene Mikrofone haben unterschiedliche Frequenzgänge, die sie abbilden und manches passt halt besser zu einer Stimme, manches schlechter.
Gibt es für die Aufnahme von Instrumenten vielleicht ein Mikrofon, was man für viele unterschiedliche Instrumente verwenden kann? Also eine Art Allrounder der einiges abdeckt… Oder würdest du für die Aufnahme, sagen wir von einem Klavier und einer Gitarre, immer unterschiedliche Mikrofone verwenden?
Ja es gibt schon Allrounder. Zum Beispiel das Neumann U87. Das ist aber etwas hochpreisiger. Man kann es super für Akustikgitarre, Vocals, Bass, Kick, Overheads, Percussion und Kontrabass nehmen.
Also wenn man ein lineares gut klingendes Mikrofon hat, kann man das immer vielseitig benutzen
Was muss man in Bezug auf das Mikrofon beachten, wenn man Gesang aufnimmt? Gibt es zum Beispiel einen bestimmten Abstand, den man einhalten muss?
Also bei einem Großmembran Mikrofon, sagt man eine Handbreit Abstand. Und je nachdem was man möchte lässt sich das auch variieren. Es gibt zum Beispiel den Nahbesprechungseffekt. Wenn du sehr nah an das Mikro gehst, hast du sehr viel Bass in der Stimme. Wie bei Billie-Eillish, sie geht ganz nah ran und nutzt super viel Luft beim Singen …
Wir sind mit unseren technischen Frage schon durch. Außer es gibt noch etwas, was dir wichtig wäre zu erwähnen, worüber wir aber noch nicht gesprochen haben?
Was genauso wichtig ist, ist der Raum in dem du aufnimmst. Es gibt ja zum Beispiel Screens aus Schaumstoff, die du hinter das Mikrofon stellen kannst. Das schluckt rechts und links schon mal die Reflektionen. Das kann man imitieren, indem man den Kleiderschrank aufmacht und in den Kleiderschrank singt. Also so trocken wie möglich das Signal aufnehmen. Man kann sich auch sehr gut selber Absorber bauen.
Außerdem würde ich einen guten Pre-Amp empfehlen. Grundlage für all das worüber wir hier sprechen, ist natürlich immer eine gute Instrumenten-/Gesangsperformance.
Kannst du einmal erklären, was ein Pre-Amp macht?
Das ist ein Mikrofon Vorverstärker. Manche färben das Signal ein bisschen und unterstützen bzw. verstärken es so, dass das Interface es umrechnen kann. Es wertet also das Mikrofon Signal auf bzw. verstärkt es.
Sehr gut. Danke dir! Letzte Frage:
Gibt es etwas, was du zum Ausgleich zu deinem Job machst?
Man igelt sich ja doch immer ein bisschen ein, wenn man dann in seinem Tunnel ist.
Ja den Tunnel kenn ich sehr gut. Ich geh gerne mit meinem Hund raus, das hilft mir meinen Tag zu strukturieren. Da kommt halt eine kleine Nase und möchte gerne Ballspielen gehen (lacht). Man bekommt dann einmal die Ohren frei und atmet frische Luft, hat Bewegung… Also Ausgleich ist auf jeden Fall der Hund und ich fahr gerne in den Urlaub, obwohl ich das viel zu selten mache.
Jenny findet ihr auf ihrer Website und sie hat auch ein paar spannende, ganz tolle Projekte, bei denen sie selber als Künstlerin mitwirkt. Mehr dazu und zu ihrem süßen Hund ;),findet ihr auf ihrer Instagram Seite.

